Die Apophysitis calcanei oder auch Morbus Sever-Haglund wird zu den juvenilen Osteochondrosen gezählt. Eine juvenile Osteochondrose ist eine Störung der Verknöcherung von knorpeligen Knochen-Vorstufen in der Wachstumsphase, die also im Jugendalter auftritt. Eine Apophyse ist ein Knochenfortsatz, in diesem Fall der Anteil des Fersenbeins, der zur sichtbaren Ferse wird. Bei der Apophysitis calcanei sind das Fersenbein, der Ansatz der Achilles-Sehne an der Ferse und die Plantarfaszie, die von der Fußunterseite aus an der Ferse ansetzt, beteiligt. Sie ist jedoch keine Osteochondrose im klassischen Sinne. Bei der Apophysitis calcanei liegt keine Nekrose, also der Untergang von Zellen in lebenden Gewebe vor, sondern sie entsteht durch Verletzungen des Fersenbeins und zu großer Belastung.
Sie zählt zu den häufigsten Ursachen für Beschwerden im Rückfuß bei Kindern und Jugendlichen, wobei Jungen häufiger betroffen sind als Mädchen. Der Altersgipfel für die Erkrankung liegt zwischen acht und zehn Jahren. Die Erkrankung kann aber bis zum fünfzehnten Lebensjahr auftreten.
Das Fersenbein oder auch der Calcaneus durchläuft einen langen Entwicklungsprozess, der sich über die gesamte Wachstumsphase erstreckt. In der Phase zwischen dem sechsten und zehnten Lebensjahr entsteht die sogenannte Calcaneusapophyse. Ihr Ursprung sind Knochenkerne, die über einen knorpeligen Zwischenschritt verknöchern. Dieser Fortsatz des Fersenbeins ist jedoch erst mit circa siebzehn Jahren vollends mit dem restlichen Fersenbein verwachsen. Vor allem in der Anfangsphase ist er besonders empfindlich gegenüber zu starke Beanspruchung.
Im Namen Apophysitis calcanei ist die Endung -itis enthalten, welche suggeriert, dass ein entzündlicher Prozess abläuft. Dies wurde jedoch widerlegt. Was jedoch als eine Ursache in Betracht gezogen wird, ist eine wachstumsbedingte Minderversorgung der Apophyse mit Blut. Vermutlich ist das Wachstum der Blutgefäße langsamer als das der Knochen.
Die aktuell am meisten vertretene Hauptursache besteht aus mehreren zusammen kommenden Faktoren. Hierzu zählen eine mechanische Überbelastung zum Beispiel durch intensives Sporttreiben, aber auch Übergewicht führt zu einer Überbelastung. Dabei zieht die Wadenmuskulatur, die über die Achillessehne an der Ferse befestigt ist, zu fest an der noch instabilen Calcaneusapophyse. Durch einen Wachstumsschub der Röhrenknochen, also unter anderem der Knochen in Oberschenkel und Wade, kann der Zug auf der Apophyse nochmals erhöht werden. Wenn dann noch häufige Mirkobrüche im Knochen durch das zu feste Auftreten auf die Ferse hinzukommen, wird das Auftreten der Apophysitis calcanei maximal begünstigt.
Zu den Risikosportarten zählen Fußball, Sprung- und Laufdisziplin aus der Leichtathletik. In fast 60% der Fälle sind dabei beide Füße betroffen. Als zweit häufigste Ursache gilt heute Übergewicht im frühen Kindes- und Jugendalter.
Anfänglich treten belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der Ferse auf, insbesondere bei hoher sportlicher Aktivität treten die ersten Beschwerden zunächst im Training und nicht in Ruhe auf. Bei Übergewicht als hauptsächlicher Ursache treten die ersten Beschwerden ebenfalls bei außergewöhnlich hohen Belastungen auf.
Wenn sich die Symptomatik verschlimmert, treten die Schmerzen nicht nur unter Belastung sondern auch in Ruhe auf, typisch ist das veränderte Gangbild. Die Kinder und Jugendlichen vermeiden es in der Regel über die Ferse abzurollen und treten nur mit dem Vorfuß auf. Sie laufen in etwa so, als wenn sie auf den Zehenspitzen laufen.
Zu den klinisch sichtbaren Zeichen zählen eine anfänglich nur nach Belastung geschwollene Ferse, in der Regel ist sie zudem noch gerötet und gegebenenfalls überwärmt. Diese Konstellation kann im fortgeschrittenen Stadium auch dauerhaft auftreten. Außerdem ist die Region über dem Calcaneus besonderes druckempfindlich beziehungsweise schmerzhaft. Sogar bis zu dem Punkt, dass Schuhwerk, das an entsprechender Stelle drückt, nicht mehr getragen werden kann.
Die Diagnose der Apophysitis calcanei setzt sich aus der typischen Klinik in Kombination mit dem passenden Alter und Risikofaktoren zusammen. Die typische Klink besteht aus Schmerzen im Fersenbereich mit einer belastungsabhängigen Verschlimmerung und einer Rötung und Schwellung am Ansatz der Achillessehne. Bildgebende Verfahren wie die MRT oder das Röntgen sind im Rahmen der Diagnosenstellung eher zweitrangig, die Diagnose wird in der Regel klinisch gestellt.
Die Untersuchung beinhaltet zunächst die Anamnese, in der vorrangig die Risikofaktoren (Fußball, Laufsport und Ähnliches) und Schmerzen sehr umfangreich erfragt werden. Während der Inspektion und körperlichen Untersuchung wird der Fokus auf die Fersen und deren beidseitiger Vergleich gelegt, zudem wird der Gang beurteilt.
Die Bildgebung gewinnt insbesondere an Bedeutung, wenn es um die Frage nach Differentialdiagnosen, also andere mögliche Diagnosen, die für die Symptomatik verantwortlich sein können, geht. Es wird auf die Sonographie, das Röntgen oder die MRT (Magnetresonanztomographie) zurückgegriffen. Zu den möglichen Differentialdiagnosen zählen Stressfrakturen, also Brüche im Bereich des Fersenbeins, die die Apophyse und die Wachstumsfuge betreffen können, aber nicht müssen. Außerdem können auch noch Knochenzysten, das sind kleine Raumforderungen im Knochen, eine Osteomyelitis, also eine Knochenentzündung und auch Knochentumore im Bereich des Fersenbeins ähnliche Beschwerden auslösen. In diesen Fällen bietet sich das Röntgen zu ihrem Ausschluss an. Im MRT können sie genauer differenziert werden. Die Apophysitis calcanei lässt sich nur schlecht im Röntgen diagnostizieren, da es in der Wachstumsphase viele unterschiedliche Varianten der Apophysenregion des Calcaneus gibt. Die physiologische (normgerechte) Wachstumsfuge des Fersenbeinfortsatzes kann pathologisch weit und klaffend erscheinen. Die Untersuchung mit dem Ultraschall dient zur Beurteilung der umgebenden Weichteile wie den Sehnen und der knorpeligen Wachstumsfuge. Durch sie können eventuelle entzündliche Reaktionen dieser Gewebe in Form von verstärkter Durchblutung oder Flüssigkeitseinlagerung beurteilt werden.
Durch die Magnetresonanztomographie können Auffälligkeiten aus dem Röntgenbild genauer beurteilt werden. Außerdem kann bei entsorgendem Verdacht eine Kontrastmittelgabe indiziert sein. Zu den rechtfertigenden Indikationen für die Verabreichung von Kontrastmittel zählen der Verdacht auf entzündliche, tumoröse oder nekrotische (abgestorbene) Bereiche im Bereich des Fersenbeins. Diese lassen sich durch die verschiedenen Bildeinstellungen und das applizierte Kontrastmittel in der Magnetresonaztomographie voneinander abgrenzen.
Die MRT dient ausschließlich zur Abklärung der Differentialdiagnosen und nicht zur Diagnosenstellung des Morbus Sever-Haglund. Nichtsdestotrotz weißt die Apophysitis calcanei in der MRT typische Charakteristika auf. In den Bildverfahren, in denen besonders Flüssigkeiten hervorgehoben werden, zeigen sich durch einen Signalanstieg typischerweise Ansammlungen von Flüssigkeit im Bereich der Apophyse und dem Knochenmark. Auch im Bereich um die Apophyse herum lassen sich häufig Signalanstiege (also Flüssigkeit) nachweisen, insbesondere im Bereich des Ansatz der Achillessehne an der Apophyse und dem umgebenden Fettgewebe, sowie in der sogenannten Bursa subachillea, einem Schleimbeutel unter der Achillessehne, und in der Plantarfaszie (eine derbe Bindegwebesplatte in der Fußsohle).
In den Bildverfahren, die zur Darstellung von Knochen geeignet sind, können in den Knochen Verminderungen des Signals auftreten. Diese sprechen für die Demineralisation des Knochengewebes, dabei handelt es sich um den Verlust der mineralisierten Grundsubstanz der Knochen.
Die Therapie umfasst mehrere konservative Ansätze: neben dem Ruhigstellen gibt es unteranderem entlastende Dehnübungen und orthopädische Einlagen.
Die Ruhigstellung bedeutet in der Regel nicht ein komplettes Sportverbot, dies ist in der Regel nur in einem stark fortgeschrittenen Stadium des Morbus Sever-Haglund notwendig. In diesem Fall kann sogar die Versorgung mit einem Unterschenkelgips angebracht sein. Die sportliche Belastung sollte der Symptomatik angepasst werden. Das Training beziehungsweise die Belastungen, welche Beschwerden auslösen, sollten ausgesetzt werden. Andere Belastungsformen dürfen, aber sollten nichtsdestotrotz vorsichtig fortgesetzt werden. Weitere Maßnahmen wie das Kühlen der Fersen oder das Anlegen von Salbenverbänden können ebenfalls schmerzlindernd sein. Bei sehr starken Ruheschmerzen ist außerdem die Anwendung von nicht-steroidalen-entzündungshemmenden Schmerzmedikamenten wie Ibuprofen sinnvoll.
Des Weiteren sind Dehn- und Kräftigungsübungen unter Anleitung eines Physiotherapeuten für den Unterschenkel eine sinnvolle Unterstützung der Therapie. Sie dienen unter anderem dazu, eventuelle muskuläre Disbalancen zu beheben und die durch das schnelle Wachstum verkürzte Muskulatur zu dehnen. Zudem sollten auch die Gelenke und Haltung oberhalb der Unterschenkel mit beurteilt und bei vorliegenden Disbalancen oder Fehlstellungen mittherapiert werden.
Einlagen, die vor allem dazu dienen, die Achillessehne zu entlasten und dadurch den Zug auf die Apophyse verringern, können unterstützend wirken. Außerdem können durch sie eventuelle weitere Fehlstellungen in Fuß und Wade ausgeglichen werden. Im Rahmen der Therapie mit Einlagen müssen unbedingt begleitend aktivierende Kräftigungs- und Dehnübungen angewandt werden. Einlagen wirken nur passiv und führen bei ausschließlichem Tragen sogar zum Abbau der Muskulatur.
Weitere Informationen zur Physiotherapie können Sie auch unserem Artikel ,,Physiotherapie bei einem Fersensporn" entnehmen.
Durch einen Wachstumsschub kann es passieren, dass die sogenannte Flexorenloge des Unterschenkels zeitweise etwas verkürzt ist. Bei der Flexorenloge handelt es sich um die Muskeln auf der Rückseite des Unterschenkels, mit den man den Fuß wie eine Ballerina spitzen kann. Die verkürzte Muskulatur auf der Rückseite der Wade kann eine Verschlimmerung der Apophysitis calcanei bewirken und sogar mit eine der Ursachen sein. Aus diesem Grund sollte sie bei dem Vorliegen des Morbus Sever-Haglund regelmäßig gedehnt werden, um den Zug der sich anschließenden Achillessehne auf die Apophyse des Fersenbeins zu verringern.
Am besten sollte zwei- bis dreimal täglich, jeweils abwechselnd pro Seite fünfmal gedehnt werden. In den einzelnen Sätzen sollte die Spannung mindestens 20 Sekunden -aber maximal 30 Sekunden- gehalten werden.
Für die Dehnübung wird eine Stange oder Ähnliches auf Brusthöhe zum Festhalten/ Anlehnen und ein fester Untergrund benötigt. Zum Ausführen der Übung einen Schritt von der Stange entfernt stehen und einen Fuß durch einen großen Schritt wieder näher an die Stange positionieren. Die Füße sollten weiterhin etwa hüftbreit stehen. Die Fußspitze des hinteren Fußes zeigt zur Ferse des vorderen Fußes. Die Wade des hinteren Fuß wird gedehnt, indem man sich an der Stange abstützt und sich mit geradem Bein und Rücken langsam Richtung Stange beugt. Die Ferse berührt während der gesamten Übung den Boden. Dabei darf das vordere Bein gebeugt werden. Die richtige Dehnung macht sich durch ein starkes Ziehen im Muskel kurz unter der Kniekehle bemerkbar, dort dann für 20 bis 30 Sekunden die Spannung halten und anschließend die Füße wechseln.
Für weitere Übungen können Sie auch unseren Artikel ,,Übungen bei einem Fersensporn" lesen.
Durch Einlagen soll die Stellung des Rückfußes optimiert werden. Sie können die Scherkräfte im Bereich der Apophyse reduzieren und eventuelle weitere Fehlstellungen des Fußes ausgleichen. Die einfachste Form der Einlagen sind sogenannte Fersenkissen oder Pufferabsätze, die den Zug der Achillessehne auf die Apophyse reduzieren. Die Fersenkissen insbesondere die Elastischen sind jedoch nicht dazu geeignet, andere Fehlstellungen des Fußes zu korrigieren. Bei Bedarf können Alltags- und Sportschuhe von ausgebildeten Orthopädietechnikern angepasst werden, der Fokus sollte dabei auf der Fersenkappe liegen. Einlagen sollten nicht als alleinige Therapie, sonder immer in Kombination mit entsprechenden Übungen eingesetzt werden.
Die Prognose der Apophysitis calcanei ist grundsätzlich gut. Dabei ist die Krankheit in der Regel selbstlimitiert, was bedeutet, dass sie sich häufig mit Abschluss des Wachstums aufhebt. Die konservative Therapie verspricht bei konsequenter Durchführung eine Besserung nach Wochen, gelegentlich nach Monaten. Dies ist in der Regel von dem Stadium abhängig, in dem die Therapie begonnen wird.
Ein mögliches Überbleibsel des ausgeheilten Morbus Sever-Haglund ist ein knöcherner Vorsprung im Bereich des Ansatzes der Achillessehne an der Calcaneus Apophyse. Er nennt sich Haglund-Exostose. Durch mechanische Irritationen, die zum Beispiel durch das Sporttreiben in zu engen oder unpassenden Schuhen entstehen, kann die Haglund-Exostose erneut symptomatisch werden. Die Symptomatik entspricht ungefähr der der Apophysitis calcanei. Auch hier ist die konservative Therapie möglich. Bei ausbleibender Verbesserung ist die operative Versorgung der Haglund-Exostose möglich.