Das Krankheitsbild des Morbus Sudeck, auch CRPS: Complex Regional Pain Syndrome beschreibt eine Symptomatik, die nicht nur für den Leihen komplex klingt, sondern bei der auch die Behandlung als komplex anzusehen ist. Die Therapie richtet sich nach den Symptome der jeweiligen Stadien die im Folgfenden zuerst beschrieben werden:
In der Krankengymnastik beim Morbus Sudeck ist es sinnvoll, die Behandlungsmaßnahmen der Physiotherapie und der physikalischen Therapie dem Krankheitsstadium anzupassen, da in den verschiedenen Stadien unterschiedliche Symptome im Vordergrund stehen.
Meist wird der Morbus Sudeck in 3 Stadien eingeteilt, allerdings ist der Phasenverlauf klinisch oft nicht klar einzugrenzen.
Um dem Patienten, der unter einem Morbus Sudeck leidet, helfen zu können wendet der Physiotherapeut in der Krankengymnastik/Physiotherapie Techniken an, die das Gleichgewicht von Sympathikus und Parasympathikus wiederherstellen sollen. Bewährt hat sich hierbei die Bindegewebsmassage. Ausläufer der vegetativen Nerven sitzen im Binde- und Stützgewebe, also der Haut, Unterhaut und der Faszie. Das heißt es gibt bestimmte Haut- und Bindegwebszonen, die auf bestimmte Organdysfunktionen hinweisen können. Der Physiotherapeut kann diese Zonen durch Sicht- und Tastbefund erkennen. Man kann sich vorstellen, dass in einer betroffenen Bindegewebszone die Unterhaut mit der Muskelfaszie verklebt, da dort die Stoffwechselfunktion eingeschränkt ist.
Möglicherweise hat der Patient an diesen Stellen Empfindungsstörungen, wie eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit, Temperaturänderungen, Elastizitätsänderungen und eine verschlechterte Gewebsdurchblutung des Gebietes. Diese Symptome können alle gemeinsam beim Morbus Sudeck auftreten, sie müssen aber nicht immer alle zwangsläufig auftreten. Möglicherweise spürt der Patient in der betroffenen Zone nichts auffälliges und kann sich trotzdem nach der Behandlung durch den Physiotherapeuten besser fühlen.
Seit der klinischen Überprüfung dieser Effekte spricht man von der Neurovegetativen Ganzheitsbehandlung nach Dr. Teirich-Leube. Dabei wird über die Behandlung des Bindegewebes Einfluss auf das vegetative Nervensystem genommen, die Aktivität des Sympathikus wird heruntergefahren und kann so wieder gemeinsam mit dem Parasympathikus arbeiten. Neben den Wirkungen auf das Nervensystem wird lokal die Durchblutung verbessert, die Spannung gesenkt und die Verklebung beim Morbus Sudeck gelöst.
Lesen Sie mehr zu diesem Thema in dem Artikel Bindegewebsmassage
Außer der Beeinflussung des vegetativen Nervensystems durch Bindegewebsmassage ist es angebracht Verspannungen zu lösen, die durch Schonhaltung des Patienten beim Morbus Sudeck entstehen. Da der Patient die Betroffene Hand, bzw. den betroffenen Fuß versucht zu entlasten und für alltägliche Aktivitäten weniger einsetzt, ist häufig die Gegenseite überlastet und es können Rückenbeschwerden durch Fehlhaltungen auftreten. Um dem Vorzubeugen ist Krankengymnastik zur Haltungsschule beim Morbus Sudeck unerlässlich. Neben Haltungsschulung sollte auch die Mobilität der angrenzenden Gelenke erhalten werden um einem weiteren Funktionsverlust vorzubeugen.
Der Physiotherapeut kann hierzu mit dem dem Patienten Übungen durchführen und gemeinsam mit ihm ein Eigenübungsprogramm erstellen, das regelmäßig zuhause durchgeführt werden sollte. Über die reine Bewegungserhaltung der angrenzenden Gelenke hinaus ist es ratsam sich körperlich zu betätigen, denn moderater Ausdauersport kann wiederum Einfluss auf das vegetative Nervensystem haben und neben der Bindegewebsmassage zum Gleichgewicht von Sympathikus und Parasympathikus beitragen.
Auch eine medikamentöse Behandlung ist fester Bestandteil der Standardtherapie des Morbus Sudeck. Häufig verabreicht werden:
Diese Medikamente finden vor allem im frühen Stadium Anwendung. Corticoide wirken abschwellend, antientzündlich und schmerzlindernd und führen so oft schnell zu einer Besserung der Symptomatik. Die Studienlage ist hier nicht ganz eindeutig, es tritt jedoch sehr oft eine schnelle Besserung der Symptome ein und die Beweglichkeit nimmt zu.
Die Entstehung (Pathogenese) des Morbus Sudeck ist bis heute nicht vollständig geklärt. Die Grundlage ist eine irreguläre Heilung verletzten Gewebes. Diese Verletzung kann ein Trauma infolge eines Unfalls oder einer Verletzung sein, sowie nach einer Operation auftreten oder eine Entzündung als Ursache haben.
So tritt der Morbus Sudeck bei 1-2% der Patienten nach einer Fraktur auf und bei 2-5% der Patienten mit einer Nervenverletzung. Dabei hängt das Auftreten eines Morbus Sudeck nicht mit der Schwere der Verletzung zusammen, sodass die ursächliche Verletzung so minimal sein kann, dass sich der Patient auf Nachfrage nicht an sie erinnert. Eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems verhindert im Verlauf immer wieder eine Heilung. Der Sympathikus ist als Gegenspieler des Parasympathikus Teil des autonomen Nervensystems, welches essentielle Funktionen wie Blutdruck, Atmung, Puls oder Verdauung reguliert. Der Sympathikus ist zuständig für eine Aktivierung unseres Kreislaufs, um den Körper auf Kampf oder Flucht vorzubereiten (Fight or Flight) und kann auch durch Schmerzen aktiviert werden.
Anstatt zu einer regulären Abheilung der Verletzung kommt es also zu einem Teufelskreis aus Schmerz, Sympathikusaktivierung und folglich zur Verhinderung der Ausheilung. Vermutet wird außerdem, dass es im Rahmen des Morbus Sudeck zu einer Entzündungsreaktion kommt, in Folge derer verstärkt Entzündungsmediatoren (Substanz P, GCPR) ausgeschüttet werden. Diese können nicht mehr abgebaut werden und führen so zu einer Entzündungsreaktion in den Nerven (neurogene Entzündung). Dies soll auch im Gehirn (ZNS) auftreten und so die schmerzverarbeitenden Nerven sensibilisieren.
Häufig kann aus einer Radiusfraktur ein Morbus Sudeck entstehen. Lesen Sie hier mehr: Physiotherapie Radiusfraktur
Die Prognose des Morbus Sudeck ist zunächst nicht klar vorauszusagen. In vielen Fällen stellt sich der Krankheitsverlauf nicht typisch wie nach Sudeck beschrieben dar, sondern nimmt individuell ganz unterschiedliche Formen und Ausmaße an.
Entscheidend für die Therapie und Heilung des Morbus Sudeck ist eine frühzeitige Behandlung. Erschwerend hierbei ist die Tatsache, dass ein Morbus Sudeck oft relativ spät diagnostiziert wird, da die Zeichen anfangs sehr unspezifisch sind und teilweise von Ärzten und Patienten nicht ernst genommen werden. Ein spontanes Verschwinden der Erkrankung ohne Therapie (Spontanremission) wird selten beobachtet, ebenso ein chronischer schwerer Verlauf.
Langzeituntersuchungen haben ergeben, dass sich die Krankheit bei 85 von 100 Patienten im Lauf der Jahre so gebessert hat, dass die Kriterien für einen Morbus Sudeck nicht mehr erfüllt waren. In fast der Hälfte der Fälle jedoch waren noch Schmerzen unterschiedlicher Stärke vorhanden. Im Mittel betrug die Zeit zur Ausheilung etwa 12 Monate, in anderen Fällen wurde noch nach Jahren eine Besserung erzielt.
Die betroffenen Gliedmaße beim Morbus Sudeck können im Endstadium unter starken Schmerzen eine Versteifung des Gelenks sowie eine geschrumpfte Haut, Sehnen und Muskulatur aufweisen, was wiederum zu einem Funktionsverlust führen kann. Um dem Patienten Schmerzlinderung zu verschaffen ist generell eine interdisziplinäre Behandlung wichtig. Die Physiotherapie/Krankengymnastik spielt hierbei neben der medikamentösen Behandlung eine große Rolle, wobei allen physiotherapeutischen Maßnahmen voran die Bindegewebsmassage steht. Häufig sind die betroffenen Körperstellen so empfindlich, dass der Physiotherapeut an Körperstellen arbeiten muss, die fern von der betroffenen Region sind und dem Patienten keine Schmerzen verursachen, aber sich trotzdem auf die betroffene Region auswirken.
Jeder zweite Patient klagt über einen Tremor (Zittern) der Hand, etwas seltener treten unwillkürliche Muskelzuckungen (Myoklonien) auf. Häufig treten auch Störungen der Sensibilität auf. Viele Betroffene leiden unter einer stark erhöhten Schmerzempfindlichkeit (Hyperalgesie) oder verspüren Schmerzen bei eigentlich nicht schmerzhaften Berührungen der Haut (Allodynie). Ein Großteil der Morbus Sudeck Patienten verspürt daneben einen permanenten Ruheschmerz. Der Schmerzcharakter reicht von brennend bis prickelnd und unterscheidet sich auch von Patient zu Patient stark in der Intensität. Seltener kommt es zur Taubheit oder sogar einem Fremdheitsgefühl der betroffenen Hand. Im akuten Stadium kommt es in vielen Fällen zu einem vermehrten Haar- und Nagelwachstum, wohingegen sich das Haar- und Nagelwachstum im atrophen Stadium stark verringern kann.
Sie sehen, die Behandlung des Morbus Sudeck ist sehr facettenreich, kann dem Patienten aber die notwendige Schmerzlinderung verschaffen, sofern dieser sich auf eine regelmäßige physiotherapeutische Behandlung mittels Bindegewebsmassage und einer Krankengymnastik zur Kräftigung der betroffenen Gliedmaßen einlässt und sein erlerntes Eigenübungsprogramm regelmäßig durchführt. Beim Morbus Sudeck sollte somit eine medikamentöse Therapie (z.B. Schmerzmittel) als auch eine Nicht-medikamentöse Therapie (Krankengymnastik/Physiotherapie) erfolgen.