Physiotherapie ist für den an Morbus Parkinson erkrankten Patienten unerlässlich, um seine Selbstständigkeit lange zu erhalten. Abhängig davon, wie weit die Krankheit Morbus Parkinson bereits fortgeschritten ist, greift die Physiotherapie beim Funktionstraining diejenigen Aktivitäten an, bei welchen der Patient die größte Alltagseinschränkungen verspürt. Von einem Morbus Parkinson wird gesprochen, wenn ein Patient vier Leitsymptome zeigt. Diese sind Bewegungsarmut (Brady- bzw. Akinese), eine erhöhte Muskelspannung, die zu steifen, zahnradartigen Bewegungen führt (Rigor), ein Ruhezittern (Tremor) und eine instabile Körperhaltung (Posturale Instabilität). Diese Symptomatik hat für den Parkinsonpatienten weitreichende Folgen, an denen die Physiotherapie ansetzt.
Die Bradykinese hat für den an Morbus Parkinson erkrankten Patienten zur Folge, dass Bewegungen nur noch verlangsamt stattfinden. Meist beginnt die Bewegungsarmut zunächst an den oberen Extremitäten und erschwert es dem Patienten Handlungen durchzuführen, bei denen die Feinmotorik gefordert wird, zum Beispiel beim Schließen von Hemdknöpfen. Ist später auch die untere Extremität beim Morbus Parkinson erkrankten Patienten betroffen, kommt es typischerweise dazu, dass der Patient beim Gehen sehr kleine Schritte macht. Außerdem fällt es vielen Morbus Parkinson erkrankten Patienten schwer loszugehen und wieder anzuhalten, also eine Bewegung zu starten und später wieder zu beenden. Ein Gangtraining ist somit ein wichtiger Bestandteil der Krankengymnastik. Auch die Gesichtsmuskulatur kann betroffen sein, sodass nur noch sehr wenig Mimik erkennbar ist. Häufig führt dieser Umstand zu Missverständnissen in der Kommunikation mit Mitmenschen, weil Emotionen nur noch abgeschwächt oder gar nicht in der Mimik repräsentiert werden. Die Inhalte der Physiotherapie zielen demnach auf eine Verbesserung der intra- und intermuskulären Koordination bei Morbus Parkinson erkrankten Patienten ab.
Bei Morbus Parkinson Betroffenen sind die Muskeln dauerhaft angespannte und dadurch steif, was einen Rigor bedingt. Werden die Gelenke des Morbus Parkinson erkrankten Patienten vom Physiotherapeuten in der Physiotherapie durch bewegt, fühlt es sich an, als befänden sich in den Gelenken des Patienten Zahnräder, über die es bewegt wird. Dieses zahnradartige Bewegen kommt dadurch zustande, dass nicht nur der Spielmuskel stark angespannt ist, sondern auch sein Gegenspieler. Für die Beweglichkeit eines Gelenkes gibt es immer mindestens einen Muskel der in die eine Richtung bewegt und einen, der in die Gegenrichtung bewegt. Im Normalfall wird die Muskelspannung so reguliert, dass zum Beispiel der Streckmuskel die Spannung langsam und kontrolliert verringert, während der Beugemuskel das Gelenk beugt. Bei Morbus Parkinson Betroffenen funktioniert diese Muskelregulation nur noch schlecht. Dies gilt es während den jeweiligen Sitzungen der Physiotherapie wieder herzustellen.
Der Tremor (Ruhezittern) lässt sich bei Morbus Parkinson erkrankten Patienten normalerweise in Ruhe beobachten. Bei gezielten Bewegungen lässt er meist nach und bei psychischer Belastung, auch wenn der Morbus Parkinson erkrankte Patient zu einer schnellen gezielten Bewegung gezwungen wird, nimmt er zu. Der Ruhetremor hat eine langsame Frequenz von ca. 4-5 Hz, deswegen wird er auch „Pillendrehersyndrom“ genannt.
Die posturale Instabilität bei Morbus Parkinson erkrankten Patienten entwickelt sich aus der Bewegungsarmut, da die Muskulatur nicht schnell genug auf von außen kommende Reize reagieren kann. Es fällt den Morbus Parkinson erkrankten Patienten demnach schwer, auf ein Stolpern beim Gehen oder ein ungewolltes Schubsen von außen angemessen zu reagieren. Wird die Körperhaltung eines Morbus Parkinson erkrankten Patienten betrachtet ist erkennbar, dass er meistens mit nach vorn gebeugtem Oberkörper steht und seinen Kopf zum Ausgleich in den Nacken legt. Inhalte der Physiotherapie sollten somit auch auf einem Gleichgewichtstraining liegen.
Zusätzlich zu den vier Leitsymptomen hat der an Morbus Parkinson erkrankte Patient durch die instabile Körperhaltung und Steifigkeit der Muskulatur häufig Schmerzen im Schulter-Nackenbereich. Die Bewegungsarmut kann zu einem verringerten allgemeinen Aktivitätsniveau führen, was wiederum bei einigen Morbus Parkinson erkrankten Patienten zu depressiven Phasen und Verringerung der Gedächtnisleistung führen kann. Denn der Körper ist schlau und spart Ressourcen und was nicht genutzt wird, wird abgebaut. Für Bewegung wird Gehirnleistung abverlangt und bei Bewegungsmangel stellt auch das Gehirn auf Sparflamme. Unter anderem werden dann auch weniger „Glückshormone“ wie Serotonin und das sowieso schon fehlproduzierte Dopamin produziert, was sich in der Stimmung widerspiegeln kann. Um dies in Schacht zu halten, erstellt der Physiotherapeut eine spezielle ausgerichtete Physiotherapie.
Die beschriebenen Symptome kommen dadurch zustande, dass sich in den Basalganglien des Gehirns, das sogenannte Corpus Striatum zurückbildet, welches normalerweise die Dopaminproduktion regelt. Dopamin ist ein Botenstoff und wird benötigt um Bewegungsimpulse auszulösen. Fehlt dieser Botenstoff, fehlt der Bewegungsantrieb. Vor diesem Hintergrund ist gut verständlich, warum es beim Morbus Parkinson zu einer Bewegungsarmut kommt; Es kommen einfach zu wenige Impulse bei der Muskulatur an. Diese Veränderung am Gehirn kann zwar zwar durch Medikamente leicht kompensiert, aber nicht verhindert oder gar rückgängig gemacht werden.
In der Physiotherapie kann die Ursache natürlich nicht bei Morbus Parkinson erkrankten Patienten beseitigt werden, aber die Folgen der gestörten Regelung können beeinflusst werden, um den Verlauf der Krankheit zu mildern und die Verschlechterung zu verlangsamen. Dafür muss der Physiotherapeut einen ausführlichen Befund mit dem Patienten durchführen, um herauszufinden, welche Symptome besonders stark ausgeprägt sind und bei welchen Aktivitäten seines täglichen Lebens er durch die Symptome besonders eingeschränkt ist. Daraus ergibt sich die physiotherapeutische Arbeitsdiagnose während der Physiotherapie.
Meist geht es in der Physiotherapie darum den Gang zu verbessern, den Morbus Parkinson erkrankten Patienten mehr Sicherheit zu vermitteln und somit Stürzen vorzubeugen. Außerdem steht die Erhaltung der feinmotorischen Fähigkeiten häufig im Vordergrund. Hier sollte der Physiotherapeut und Ergotherapeut eng zusammenarbeiten. Beide Therapieziele setzen eine Regulation der Muskelspannung voraus und verlangen Bewegung.
Um die Muskelspannung zu regulieren kann der Morbus Parkinson erkrankte Patient unter Assistenz des Physiotherapeuten gezielte Bewegungen in der Physiotherapie durchführen und ein tägliches Eigenübungsprogramm erlernen.
Da Morbus Parkinson erkrankte Patienten typischerweise dazu neigen, kurze schnelle Schritte zu machen und sich dabei gleichzeitig weit nach vorne lehnen, besteht eine erhöhte Sturzgefahr. Denn bei dieser Körperhaltung verlagert sich der Körperschwerpunkt nach vorne und befindet sich außerhalb des eigenen Körpers. Ein solches Gangbild erhöht die Gefahr für Stürze und Folgeverletzungen, die die Selbstständigkeit wiederum einschränken können und das Fortschreiten der Krankheit beschleunigen. Deswegen ist es wichtig, dass der Physiotherapeut mit dem Morbus Parkinson erkrankte Patient an seinem Gangbild während der Physiotherapie arbeitet. Faktoren, die es hier zu beachten gibt sind eine adäquate Aufrichtung und große, sichere Schritte. Richtet man sich auf, so verlagert sich der Körperschwerpunkt wieder in Richtung Körpermitte. Mit einem aufrichten Gang und großen Schritten reduziert sich demnach die Sturzgefahr.
Um dem zusätzlich entgegenzuwirken muss der Morbus Parkinson erkrankte Patient große Bewegungen während der Physiotherapie üben und die Übungen regelmäßig wiederholen. Eine Studie von Farley& Koshland, 2005 hat die sogenannte BIG-Methode (englisch big= groß) untersucht, bei der bestimmte Bewegungen im großen Umfang häufig wiederholt werden und kam zu dem Ergebnis, dass sich bei Morbus Parkinson erkrankte Patienten, die mit der BIG-Methode behandelt wurden die Gehgeschwindigkeit durch eine größere Schrittlänge verbesserte und die Zielgenauigkeit der Arme auch über größere Strecken verbessert wurde.
Um die Körperhaltung bei Morbus Parkinson erkrankten Patienten wieder zu verbessern muss dieser ein Gefühl für seine Körpermitte erlernen. Dazu wird er mit Hilfe des Physiotherapeuten verschiedene Übungen während der Physiotherapie zur Beckenkontrolle und -beweglichkeit, als auch zur Aufrichtung erlernen. Interessant sind auch Erkenntnisse, dass Studien zur Ganzkörpervibration Hinweise darauf geben, dass ein Training mit Vibrationsplatten zur besseren Körperstabilisation beitragen kann. Hierbei werden die Gleichgewichtssensoren in der Muskulatur angesprochen und bewirken, dass daraufhin im Gehirn Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, ausgeschüttet werden, die bei Morbus Parkinson erkrankten Patienten sonst nur in geringer Menge produziert werden. Viele Physiotherapeuten benutzen ein solches Hilfsmittel in den jeweiligen Sitzungen der Physiotherapie.
Hat der Morbus Parkinson erkrankte Patient bei bestimmten Aktivitäten und Bewegungen im Alltag Schwierigkeiten eignet sich die „Propriozetive neuromuskuläre Fazilitation“ (PNF) als Behandlungsmethode in der Physiotherapie sehr gut. Muskelfunktionen werden durch gezielte Reize des neuromuskulären Systems angeregt (fazilitiert). Mittels aktiv- assistiven Bewegungen kann hierdurch eine Regulation der Muskelspannung sowie eine Verbesserung der Koordination und der Muskelkraft währen der Physiotherapie erreicht werden. Im PNF gibt es verschiedene Bewegungsmuster, die Bewegungen aus dem Alltag entsprechen oder ähneln und werden von dem Physiotherapeut je nach Zielsetzung ausgewählt. Fällt es dem Morbus Parkinson erkrankten Patient beispielsweise schwer eine Tasse aus dem Schrank über der Spüle zu nehmen, analysiert der Physiotherapeut zuerst, wie der Patient die Bewegung durchführt und welche Komponente ihm Schwierigkeiten macht. Denn eine scheinbar einfache Überkopfbewegung hat viele verschiedene einzelne Bewegungskomponenten, bei denen es eine Bewegungseinschränkung oder ein zu geringes Kraftniveau geben könnte. Dies gilt es während der Physiotherapie zu berücksichtigen.
Außerdem wird für einen Bewegungsvorgang vorausgesetzt, dass sich die Gelenke entsprechend frei bewegen lassen. Aufgrund der hohen Muskelspannung kann es hier zu Problemen kommen. In diesem Fall kann der Physiotherapeut auch manuell in der Physiotherapie an der Muskulatur, dem Bindegewebe oder am Gelenk selbst bei Morbus Parkinson erkrankten Patienten arbeiten und zu hohe Spannung senken oder Blockaden lösen.
Bei der vornübergebeugten Haltung bei Morbus Parkinson erkrankten Patienten kommt es zu Muskelverkürzungen in der gesamten vorderen Rumpfwand. Muskeln bleiben durch Bewegung geschmeidig und werden durch Immobilisation steif. Auch hier gilt wieder, dass der Morbus Parkinson erkrankte Patient an seiner Aufrichtung in den Sitzungen der Physiotherapie arbeiten muss um zu verhindern, dass er in der vornübergebeugten Haltung verharrt. Zusätzlich kann der Physiotherapeut mit dem Morbus Parkinson erkrankten Patienten Dehnübungen und Bewegungen entgegen der Muskelverkürzung durchführen. Besondere Beachtung sollte hier während der Physiotherapie auf die Hüftbeugemuskulatur und der Brustmuskulatur gelegt werden.
Für den Morbus Parkinson erkrankten Patient gilt: Bewegung ist das A und O! Durch regelmäßige Bewegung, sowohl während der Physiotherapie als auch alleine, lässt sich dem Teufelskreis aus Muskelverkürzung, Gelenksteife und Schmerzen vorbeugen und die Selbstständigkeit bleibt erhalten. Bekanntermaßen hebt Bewegung die Stimmung und beugt Depressionen und einem Verlust von Gedächtnisleistung vor. Eine Studie von Hackney & Earhart aus dem Jahr 2010 empfiehlt Betroffenen regelmäßig tanzen zu gehen. Die Musik beim Tanzen erleichtert es den Morbus Parkinson erkrankten Patienten einen Takt zu finden, der auch beim Gang wichtig ist und der Tanzpartner kann durch gute Führung die Bewegungen anleiten (fazilitieren). Außerdem nicht zu vernachlässigen ist der soziale Aspekt beim Tanzen in Gruppen, denn soziale Isolation führt zu einer Negativverstärkung der Symptomatik und die Förderung von sozialen Kontakten unterstützt den Morbus Parkinson erkrankten Patient in der Erhaltung seines Selbstvertrauens und des Vertrauens in seine Fähigkeiten.