Summen, Piepsen, Pfeifen, Klingeln, Rauschen oder Brummen im Ohr – jeder kennt das. Ganz unerwartet tauchen Ohrgeräusche auf und bereiten Unbehagen. Meist verschwinden sie ebenso plötzlich wie sie aufgetreten sind. Aber was, wenn sich die Ohrgeräusche über Stunden, Tage oder gar Jahre im Ohr einnisten? Mediziner sprechen von einem „Tinnitus aurium“ oder nur Tinnitus. Die wörtliche Übersetzung der lateinischen Bezeichnung bedeutend passend „das Klingeln der Ohren“.
Es handelt sich um eine akustische Wahrnehmung ohne entsprechenden akustischen Reiz von Außerhalb. Im Unterschied zu akustischen Halluzinationen hat ein Tinnitus keinerlei Informationsgehalt.
Das Phänomen ist häufig: in Deutschland haben mehr als 3 Millionen Menschen einen Tinnitus. Vor allem Menschen über 50 Jahren sind betroffen, aber auch Kinder und Jugendliche erkranken.
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Für einen Tinnitus gibt es eine Vielzahl an Ursachen. Allein im Hörsystem wurden 90 Erkrankungen ermittelt, die einen Tinnitus auslösen. Unabhängig von der Ursache ist das Gleichgewicht zwischen hemmenden und erregenden Aktivitäten der Nervenzellen in verschiedenen Gehirnarealen gestört. Die entsprechenden neuronalen Nervenzellen sind überaktiv und lösen den Tinnitus aus.
Grundsätzlich unterscheidet man, ob ein objektiver oder subjektiver Tinnitus vorliegt.
Bei über 90% der Betroffenen findet sich keine Schallquelle, sodass ein subjektiver Tinnitus vorliegt.
Ein Tinnitus entwickelt sich auch häufig bei einem Hörsturz oder bei Schwerhörigkeit. Ebenso kann die Einnahme von bestimmten Medikamenten, u.a. Antidepressiva, Antibiotika, Schmerzmittel, Chemotherapeutika oder Drogen einen Tinnitus auslösen. Als nichtorganische Ursachen kommen Burn-out, Stress und psychische Belastungen in Frage.
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in den folgenden Artikeln:
Die Symptome eines Tinnitus unterscheiden sich stark in ihrem Charakter, ihrer Qualität und Quantität.
Meistens beschreiben Betroffene den Tinnitus als einen klaren Ton, wie z.B. ein Piepsen.
Andere berichten von atonalen Geräuschen, wie z.B. ein Rauschen. Bei manchen Betroffenen ist der Tinnitus immer gleich, bei anderen wiederum ändern sich Lautstärke und Tonhöhe. Bei 2/3 der Betroffenen ist der Tinnitus ein Dauergeräusch. Im Verlauf können neben dem Tinnitus verschiedene Begleitsymptome hinzukommen, wie z.B. Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen oder Schwindel.
Die Leistungsfähigkeit wird eingeschränkt und kann zur Arbeitsunfähigkeit führen. Da der Tinnitus meist in Ruhe noch lauter wird, leiden viele Betroffene auch unter Schlafstörungen. Gleichzeitig werden 50% hochempfindlich gegenüber Außengeräuschen, sodass sie sich sozial zurückziehen. Leise Umgebungsgeräusche wie Gemurmel oder angenehme Musik hingegen drängen den Tinnitus zurück. Je nachdem wie hoch der Leidensdruck ist, wird der Tinnitus in vier Schweregrade eingeteilt. Grad 1 und 2 können gut kompensiert werden. Ab Grad 3 wird der Tinnitus von emotionalen, kognitiven und körperlichen Beschwerden begleitet und beeinträchtigt das Berufs- und Privatleben. Viele Betroffene entwickeln eine Depression, Ängste oder andere somatoforme Störungen. Bei Grad 4 liegt eine völlige Dekompensation mit Arbeitsunfähigkeit vor.
Um eventuellen Schwindel oder Schlafstörungen zu behandeln, könne Sie sich die beiden folgenden Artikel durchlesen:
Jeder Mensch hat hin und wieder Ohrgeräusche. Auch wenn diese nach kurzer Zeit verschwinden, soll man diese ernstnehmen. Sie sind ein Warnsignal, sodass man überlegen soll, welche Bedeutung der Tinnitus hat. Vielleicht hat man im Moment zu viel Stress, Gesundheitsprobleme oder ist übermäßigem Lärm ausgesetzt? Ein Tinnitus weist immer darauf hin, dass etwas verändert werden muss. Manchmal reicht es aus, mehr Pausen einzuplanen, sich zu entspannen und Lärm zu meiden.
Bleibt der Tinnitus bestehen, muss nach spätestens 24 Stunden ein Arzt aufgesucht werden. Dieser ermittelt mögliche Ursache für den Tinnitus und berät Betroffene über die Behandlung. Folgende Selbsthilfe-Tipps haben sich bewährt: Entspannung, Reizstoffe wie Koffein, Alkohol oder Nikotin zu vermeiden und sich gesund zu ernähren. Bewegung und Ablenkung drängen den Tinnitus in den Hintergrund.
Sie wollen sich über eventuelle Entspannungstechniken informieren? In den folgenden Artikeln finden Sie mehr Informationen:
Stress alleine ist selten die Ursache für einen Tinnitus. Allerdings berichten 25% der Betroffenen, dass sie viel Stress hatten bzw. haben. Stress setzt das Hörsystem wortwörtlich unter Druck, sodass die Entstehung eines Tinnitus begünstigt und die Wahrnehmung eines solchen verstärkt wird. Gleiches gilt für Unsicherheit, Angst oder innere Unruhe. Diese psychischen Faktoren bedingen, dass man mehr Aufmerksamkeit nach innen, und somit auch auf den Tinnitus lenkt.
Die Geräusche werden lauter und der Stresspegel steigt. Auf lange Sicht entwickelt sich ein Tinnitus-Stress-Teufelskreis, der ggf. auch in Depressionen oder Angstzuständen münden kann. Betroffene berichten im Verlauf, dass sie ihre Gefühle hören können: umso stärker sie gestresst sind, desto stärker der Tinnitus. Das liegt daran, dass jene Gehirnareale, die für die Verarbeitung von Emotionen verantwortlich sind, mit der Hörbahn vernetzt sind. 1-5% der Betroffenen entwickeln daher neben Schlaf- und Konzentrationsstörungen auch schwerwiegende psychosoziale Schwierigkeiten. Stress und Tinnitus sind unsichtbare Leiden, sodass Betroffene es schwer haben Verständnis bei anderen zu bekommen. Oft ziehen sich immer mehr zurück. Umfassende Informationen zu diesem Thema finden Sie in dem folgenden Artikel: Stress - Sind Sie auch davon betroffen?
Die Behandlung eines Tinnitus richtet sich nach den Ursachen, Begleitsymptomen, Schweregrad und Dauer.
Ein akuter Tinnitus liegt vor, wenn der Krankheitsbeginn weniger als drei Monate zurückliegt. Damit er nicht in einen chronischen Tinnitus übergeht, muss die Behandlung frühestmöglich beginnen. In jedem Fall findet ein sogenanntes Tinnitus-Counseling statt. Dies ist eine von Fachmedizinern und Psychologen durchgeführte Beratung über den individuellen Tinnitus, dessen Behandlungs- und Bewältigungsstrategien. Der akute Tinnitus steht oft im Zusammenhang mit einer Ohrerkrankung, sodass ausschließlich die Grunderkrankung behandelt wird. Ist diese behoben, verschwindet meist auch der Tinnitus. So wird beispielsweise ein Ohrschmalzpfropf entfernt oder eine Mittelohrentzündung mit Antibiotika behandelt. Ein Knalltrauma ist immer ein Notfall, der sofort mit Infusionen oder gar Operationen behandelt werden muss, um Schäden am Trommelfell oder Innenohr zu beheben. Bei einem Hörsturz werden Infusionen und Tabletten verabreicht, die die Fließeigenschaft des Blutes und somit die Sauerstoffversorgung im Innenohr verbessern. Hilft dies nichts, wird Kortison direkt in das Mittelohr gespritzt. Gleiches Vorgehen wird bei einem Tinnitus mit unbekannter Ursache unternommen. Bei ausbleibender Verbesserung kann auch eine Sauerstoffdrucktherapie vorgenommen werden: 10-15 aufeinanderfolgende Tage setzt sich der Betroffene in einer Druckkammer mit 1,4-1,8 Bar Überdruck und atmet reinen Sauerstoff ein. Dadurch sollen sich die Zellen im Innenohr regenerieren.
Bei ca. 250.000 Betroffenen in Deutschland geht der akute Tinnitus jährlich in einen chronischen Tinnitus über. Aber es besteht Hoffnung, denn bei 20-30% klingt der Tinnitus wieder ab. Dabei helfen Therapien, die einen Umlernprozess im Gehirn auslösen – z.B. mit speziellen Hörgeräten. Sogenannte Tinnitus-Masker übertönen das Ohrgeräusch und sollen es auslöschen. Tinnitus-Noiser spielen dem Betroffenen angenehme Hintergrundgeräusche vor, die vom Tinnitus ablenken. Auch Musiktherapie ist erfolgsversprechend. Wichtig ist, dass der Betroffene Entspannungstechniken erlernt und eine psychotherapeutische Beratung oder kognitive Verhaltenstherapie beginnt, um Stress zu reduzieren und andere Probleme aufzuarbeiten. Viele psychosomatische Kliniken bieten für Betroffene Tinnitus-Sprechstunden an oder organisieren Selbsthilfegruppen. Bei großem Leidensdruck ist ein stationärer Klinikaufenthalt sinnvoll.
Die Homöopathie versucht gleiches mit gleichem zum Heilen. Da ein Tinnitus jedoch ein Symptom und keine Krankheit ist, besitzt sie kein spezielles Mittel dagegen. Allerdings verfolgt die Homöopathie auch mehr einen ganzheitlichen Ansatz. Auch wenn die Wirksamkeit von Homöopathie bei Tinnitus noch nicht wissenschaftlich belegt ist, liegt eine Vielzahl von positiven Erfahrungsberichten Betroffener vor. Vor allem für Kinder ist die Homöopathie ein guter Behandlungsansatz, falls die Ursachen abgeklärt sind und keine Intervention erforderlich ist. Die Behandlung sollte von einem erfahrenen Arzt oder Heilpraktiker durchgeführt werden. Dieser erfragt in einem Erstgespräch den Charakter des Tinnitus, Begleitsymptome und die Krankheitsgeschichte. Mit diesem Wissen kann er dann das passende Mittel auswählen.
Ein Tinnitus ist ein häufiges Symptom, welches mit einer Vielzahl an Erkrankungen des Ohres und der Psyche in Verbindung steht. Die Ohrgeräusche haben weitreichende psychologische Folgen und können den Betroffenen in seiner Lebensqualität stark beeinträchtigen. Trotzdem stellt ein Tinnitus meist keine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit dar. Die Behandlung eines Tinnitus erfolgt ganzheitlich. Je nach Ursache, Charakter und Krankheitsverlauf sind verschiedene Behandlungen erforderlich: von einer individuellen Beratung, dem Erlernen von Entspannungsverfahren bis hin zur medikamentösen Therapie.