Schulterschmerzen- die richtige Krankengymnastik

Oft sollten erst einmal alle Möglichkeiten einer konservativen Therapie (ohne Operation) ausgeschöpft werden, bevor eine OP in Betracht gezogen wird. Mit Krankengymnastik kann bei Schulterschmerzen häufig eine Verbesserung bis hin zur Schmerzfreiheit erreicht werden, ergänzende Therapien wie Physikalische Therapie mit Wärme und Massage fördern den Besserungsverlauf.

Physiotherapie statt OP

Das Schultergelenk ist ein muskelgeführtes Gelenk und dadurch instabiler als zum Beispiel das Hüftgelenk. Wenn die zuständigen Muskeln und Sehnen durch Verschleißerscheinungen oder Verletzungen beeinträchtigt sind, kann das Gelenk nicht mehr optimal funktionieren, der Gelenkkopf gleitet nicht mehr so gut wie vorher in der Gelenkpfanne.

Durch Physiotherapie kann dieses Gleitverhalten verbessert werden, die Muskulatur gekräftigt werden und der Kopf wieder besser in der Pfanne zentriert werden. Außerdem können durch Physiotherapie und Physikalische Therapie Muskelverspannungen beseitigt werden, die auch zu Schulterschmerzen und Bewegungseinschränkungen führen können.

Somit kann in vielen Fällen eine Besserung der Beschwerden erreicht werden, ohne dass eine OP notwendig ist.

Für eine OP spricht, wenn der Patient jung ist und eine frische Verletzung eines Muskels mit starken Schulterschmerzen und ausgeprägten Symptomen hat, oder wenn er im Beruf schwere Arbeiten mit dem Arm verrichten muss (zum Beispiel über Kopf).

In manchen Fällen kann die volle Funktionsfähigkeit bei einer Läsion nur durch eine Operation wieder hergestellt werden.

Die "Kalkschulter" (Impingement)

Das Impingementsyndrom wird auch als schmerzhafter Bogen oder Painful Arc bezeichnet. Es äußert sich durch Schulterschmerzen beim seitlichen Anheben des Arms, vor allem zwischen 60 und 120 Grad. Auf dem letzten Stück, nah am Ohr, lassen die Schmerzen charakteristischerweise wieder nach.
Das Impingementsyndrom wird oft durch eine Muskelsehne oder einen Schleimbeutel der Schulter verursacht. Wenn diese Strukturen durch Verschleißerscheinungen strukturell verändert, also „verkalkt“ sind, können sie nicht mehr gut übereinander gleiten und werden beim anheben des Arms unter dem Knochen des Schulterdachs eingeklemmt. Es resultieren Schulterschmerzen, auch Gefühlsstörungen im Arm oder Taubheitsgefühle können die Folge sein.
Das Impingementsyndrom kann außerdem durch Verschleißerscheinungen (Arthrose) im Knorpel des Schultereckgelenks verursacht werden.
Der Schmerz muss dabei nicht unbedingt dort lokalisiert sein, wo die Ursache liegt.

Lesen Sie mehr zum Thema unter : Schulter Impingement - Übungen und Physiotherapie bei einem Schulter-Impingement-Syndrom

Übung 1

aktives Gleiten der Schulter nach unten (um den Druck auf die Sehnen zu vermindern)

  • Ausgangsstellung: Sitz seitlich zum Tisch, der Ellenbogen ist gebeugt und Ellenbogen und Unterarm liegen auf dem Tisch, die Schulter ca. 30 Grad zur Seite abgewinkelt

  • Ausführung: Stellen Sie sich eine Kugel in der Achsel vor, die Sie in Richtung Boden rollen wollen

  • 3 Mal 15 Wiederholungen, Zwischen den Sätzen kleine Pausen von ca. 30 Sekunden

Übung 2 - Unterarmstütz

  • diese Übung nicht sofort nach einer frischen Läsion durchführen, ansonsten schmerzabhängig

  • Ausgangsstellung: Unterarmstütz auf einer Unterlage, entweder die Knie oder die Füße berühren den Boden

  • der Rest des Körpers bildet eine gerade Linie, das Gesäß ist nicht höher als der Rücken und die Oberschenkel, die Schulterblätter werden zur Wirbelsäule gezogen

  • wenn möglich, 20- 30 Sekunden halten, 3 Mal wiederholen

Schultereckgelenksarthrose

Bei einer Schultereckgelenksarthrose ist das Gelenk zwischen dem äußeren Ende des Schlüsselbeins und des Schulterdachs von Verschleiß betroffen. Sie äußert sich durch Schulterschmerzen und Bewegungseinschränkungen, vor allem beim seitlichen Anheben des Arms, deshalb ist auch hier, wie beim Impingement- Syndrom, ein schmerzhafter Bogen (Painful Arc) zu beobachten.

Ursächlich kann diese Arthrose (Gelenkverschleiß) nicht geheilt werden, allerdings kann durch Physiotherapie der Bewegungsumfang der Schulter und die Schmerzsymptomatik verbessert werden.

Da oft eine Schonhaltung eingenommen wird und das Gelenk nicht mehr optimal geführt wird, ist hier das Ziel, die Schultermuskulatur aufzubauen und die Stabilität und Beweglichkeit des Gelenks zu verbessern.

Lesen Sie mehr zum Thema unter : Schulterarthrose (Omarthtrose)  und Schulterarthrose - Schmerzen/Symptome 

Übungen

Verbesserung der Schulterbeweglichkeit

-   Ausgangsstellung: Stand seitlich zu einer Wand, mit der betroffenen Schulter in Richtung Wand

  • Ausführung: Krabbeln Sie mit der Hand so weit an der Wand hoch, bis Sie Ihre Schmerzgrenze erreichen, halten sie die Position an diesem Ort für ca. 15 Sekunden

  • krabbeln sie dann wieder langsam herunter

  • Variation: Stellen Sie sich mit dem Gesicht zur Wand, wiederholen Sie die Übung aus dieser Ausgangsstellung

  • Wiederholen Sie die Übung ca. 15 Mal

Stütz auf einer labilen Unterlage

  • Ausgangsstellung: Kniestand auf einer Unterlage, die Hände werden auf einer labilen Unterlage abgetützt

  • eine labile Unterlage ist zum Beispiel: ein Minitrampolin, zwei weiche Bälle, ein dickes Kissen oder eine dicke Matte, …

  • Ausführung: die Ellenbogen sind leicht gebeugt, die Hände stützen wie oben erwähnt auf der labilen Unterlage

  • als Steigerung kann leicht aus den Ellenbogen gefedert werden, sodass leichter Druck in der Schulter ankommt

  • halten sie die Position für 30- 60 Sekunden, 3 Wiederholungen mit kurzer Pause dazwischen

Die Rotatorenmanschette

Die Rotatorenmanschette besteht aus vier Muskeln, die um das Schultergelenk herum liegen und es sichern und zentrieren. Wenn einer oder mehrere dieser Muskeln geschädigt werden, führt dies zu einer deutlichen Instabilität des Schultergelenks und zu Schulterschmerzen. Eine Läsion kann durch einen Unfall, aber auch durch langsam fortschreitende Verschleißerscheinungen verursacht werden.
Ein Riss in einem Muskel der Rotatorenmanschette kann operativ versorgt werden, aber auch mit Krankengymnastik behandelt werden. Diese Möglichkeit wird vor allem bei durch Verschleiß hervorgerufenen Schäden bevorzugt.
In der Physiotherapie geht es hauptsächlich darum, die muskuläre Sicherung und die Führung des Gelenks zu verbessern, um die fehlende Stabilität wiederherzustellen.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Rotatorenmanschettenruptur - Physiotherapie und Rotatorenmanschettenruptur - Übungen

Übungen

Grundsätzlich können hier alle beim Impingement Syndrom und bei der Schultereckgelenksarthrose beschriebenen Übungen durchgeführt werden.

Übung - Delfin

  • Ausgangsstellung: Unterarmstütz, die Füße und die Unterarme berühren den Boden, das Gesäß ist in der Luft und der höchste Punkt des Körpers

  • Ausführung: der Körperschwerpunkt wird nun nach vorne verlagert, dabei senkt sich das Gesäß ab und der Oberkörper wandert weiter nach vorn in Richtung Unterarme

  • dann wird der Körperschwerpunkt wieder nach hinten verlagert, das Gesäß wandert nach oben und der Oberkörper wieder weiter nach hinten

  • diese Übung wird im ständigen Wechsel ausgefürt, ca. 15 Wiederholungen

Kräftigung der Rotatorenmanschette

  • nicht bei frischen Läsionen durchführen, erst ca. 4-6 Wochen danach mit langsamer Steigerung!

  • Ausgangsstellung: Stand, die Ellenbogen sind 90 Grad angewinkelt, die Oberarme bleiben am Körper

  • ein Handtuch (oder Ähnliches) wird straff zwischen beiden Händen gehalten

  • Ausführung: ziehen Sie mit beiden Händen gleichzeitig, als wollten Sie ihren Unterarm nach außen bewegen, die Oberarme bleiben dabei am Körper

  • halten Sie die Übung ca. 10 Sekunden, machen Sie dann eine Pause und wiederholen Sie dies 3 Mal

  • Alternative: Wer ein Theraband besitzt, kann die Übung auch damit ausführen. Dabei wandern die Unterarme wirklich wie ein horizontaler Scheibenwischer nach außen

Bizepssehne

Der Bizeps ist ein Muskel, der mit zwei Sehnen am Knochen ansetzt. Die längere von beiden zieht durch einen Knochenkanal und beginnt direkt am Gelenk, in anatomischer Nähe mit anderen Strukturen. Sie ist dadurch anfällig für Verschleißerscheinungen und durch längerfristige Überlastung kann diese Sehne sich entzünden oder einreißen bzw. durchreißen, die Folge können starke Schulterschmerzen im vorderen Bereich sein.
Die Therapie ist abhängig von der Schwere der Verletzung und davon, ob im Alltag oder Beruf viel Kraft im betroffenen Arm benötigt wird. Im Falle einer Entzündung kann in den meisten Fällen eine Operation vermieden werden, bei einem Abriss dagegen kann die Sehne operativ erneut am Knochen befestigt werden.
Vier bis Sechs Wochen nach einer OP sollte der Biceps nicht isoliert mit voller Kraft angespannt oder unter Gewichtseinwirkung bewegt werden.

Übungen

Alle oben genannten Übungen können auch bei der Bicepssehnenläsion durchgeführt werden.

Stütz an der Wand

  • Ausgangsstellung: Stand mit dem Blick zur Wand, ca. 40 cm von der Wand entfernt

  • Ausführung: die Hände liegen wie für einen Liegestütz an der Wand, die Schulterblätter werden zur Wirbelsäule gezogen

  • Beugen Sie die Ellenbogen leicht an und halten Sie diese Stützposition für etwa 30 Sekunden, wiederholen Sie dies 3 Mal

Schulterkräftigung

  • Ausgangsstellung: Bauchlage, die Arme sind nach vorn gestreckt, die Beine sind gestreckt

  • Ausführung: abwechselnd werden diagonal ein Arm und ein Bein vom Boden abgehoben

  • Variation: wenn der betroffene Arm noch nicht in die volle Streckung gebracht werden kann, nehmen Sie die Arme nach hinten neben den Körper und heben beide Arme und Beine zusammen an

  • 3 Mal 15 Wiederholungen

Schmerzen trotz Physiotherapie

Physiotherapie soll dabei helfen, die Schulterschmerzen zu lindern und wenn möglich, ihre Ursache längerfristig zu beseitigen.

Trotzdem passiert es oft, dass die Schmerzen erst einmal sogar schlimmer werden. Die Läsion, der Verschleiß im Gelenk oder in den Strukturen oder die Muskelverspannungen sind Symptome, die in den meisten Fällen schon länger bestehen und denen eine lange Geschichte von Fehlhaltung und Fehlbelastung zugrunde liegen kann.

Muskelaufbautraining wirkt auf das noch instabile Gelenk und auf die nicht ausreichende Muskulatur, was die Beschwerden erst einmal verschlimmert, bevor sie besser werden können, da Muskelaufbau Wochen oder Monate in Anspruch nimmt.

Zusätzlich kann zum Beispiel eine chronische Entzündung einer Sehne zum Abheilen gebracht werden, indem ein erneutes Aufflammen der Entzündung verursacht wird, was den Stoffwechsel dieser Sehne anregt.

Es ist also nicht in jedem Fall zu erwarten, dass die Physiotherapie eine kurzfristige Linderung der Schulterschmerzen erzielt, sie soll mittel- und langfristig wirken.

Trotzdem kann es in einigen Fällen sinnvoll sein, den Therapieansatz zusammen mit dem Arzt neu zu überdenken, wenn keine konservative Therapie auf lange Sicht zur Linderung der Beschwerden beigetragen hat oder wenn die Verletzung zu stark ist.

Schulterschmerzen gehören zu den häufigsten Beschwerden in der Orthopädie und Krankengymnastik, da die Schulter zwar das beweglichste Gelenk des Körpers ist, aber durch ihren Bewegungsumfang an Stabilität einbüßt. Schulterschmerzen können durch verschiedene Strukturen verursacht sein, unter anderem durch Muskelsehnen wie Bicepssehne oder Supraspinatussehne, durch Schleimbeutel oder Gelenkverschleiß (Arthrose).