Das sogenannte Patellaspitzensyndrom ist eine typische Überlastungserscheinung am unteren Knie, meist auftretend bei Sportlern. Synonym wird auch die Bezeichnung Jumpersknee verwendet. Um das Wort verständlicher zu machen – Patella ist der lateinische Fachbegriff für die Kniescheibe, als Patellaspitze wird das untere Ende der Patella bezeichnet. Ein Syndrom ist das Vorliegen verschiedener Anzeichen oder auch Symptome für ein bestimmtes Krankheitsbild.
1. "Mobilisationsübung"
2. "Dehnübung"
3. "Kräftigungsübung"
4. "Koordinationsübung"
Am vorderen Oberschenkel haben wir einen kräftigen vierköpfigen Muskel (M. Quadriceps femoris), welcher mit einer breiten Sehne über die Kniescheibe zieht und am oberen Schienbein ansetzt. Dieser Muskel ist in erster Linie für die Kniestreckung zuständig. Die Patella, die Kniescheibe, ist ein sogenanntes Sesambein, eingebettet in die Sehne des M.quadriceps femoris. Ihre Funktion ist es, den Hebelarm dieses Oberschenkelmuskels zu verlängern, sodass dieser mit weniger Kraft eine größere Bewegung erzeugen kann. Anders gesagt, die Kniescheibe unterstützt und erleichtert die Kraftübertragung vom Oberschenkel auf den Unterschenkel.
Bei Bewegung, besonders beim Sport wie Laufen und Springen, aber auch bei zum Beispiel Übergewicht ist das Knie chronisch extremen Belastungen ausgesetzt. Zu viel dieser Belastung und die Muskulatur überlastet, verhärtet, verkürzt und zieht schmerzhaft an ihrem sehnigen Ansatz. Häufig treten auch Beschwerden hinter der Kniescheibe auf. Die Ursachen sind denen von einem Patellaspitzensyndrom ähnlich. Lesen Sie mehr über dieses Beschwerdebild in dem Artikel Übungen gegen Kniescheibenschmerzen.
Überlastungen brauchen Schonung – aber keine komplette Ruhigstellung. Physiologische Bewegungen sind essentiell für die Heilung sowie am richtigen Zeitpunkt einsetzende Kräftigungsübungen. Im Folgenden werden Beispiele zur Mobilisation, Dehnung, Kräftigung, Koordination und Relaxation vorgestellt, welche die Hauptinterventionsbereiche der Therapie darstellen.
Bewegung ist enorm wichtig für die Heilung jeglicher Strukturen im Körper, um ihre phyisiologische Funktion und auch den Stoffwechsel im betroffenen Bereich aufrechtzuerhalten und zu fördern. Im akuten Stadium wird die Mobilisation zunächst passiv, also durch den Therapeuten durchgeführt. Später wird der Patient selbst aktiv.
Passiv
Für die passive Mobilisation liegt der Patient in entspannter Rückenlage, das Kniegelenk ist leicht unterlagert und minimal gebeugt um eine größtmögliche Entspannung der Strukturen zu erreichen. In dieser Position lässt sich die Patella einfach bewegen.
Aktiv
Für beginnende aktive Übungen eignet sich die „schleifende Ferse“. Der Patient bleibt in Rückenlage liegen, zieht die Fußspitzen an und winkelt langsam und mit auf der Unterlage bleibender Ferse das Knie an und streckt es wieder aus. Eine Stufe weiter wird das Bein abgehoben und im Wechsel mit dem anderen Bein aus der Rückenlage angewinkelt und ausgestreckt. Weiter kann das Bein und so die ganze zugehörige Muskelkette in sogenannten PNF-Mustern durchbewegt werden, welche die physiologischen dreidimensionalen Bewegungen berücksichtigen und einbeziehen.
Weitere Mobilisationsübungen finden sie in dem Artikel Krankengymnastik Mobilisationsübungen.
Dehnübungen können beim Patellaspitzensyndrom zunächst sehr schmerzhaft sein, da die Ursache für das Krankheitsbild generell schon von übermäßigen Zug am Knochenansatz rührt. Trotzdem ist es wichtig, den Muskel zu dehnen und zurück zu seinem ursprünglichen physiologischen Zustand zu bringen. Beginnen Sie mit sanften Dehnungen, geringer Intensität und steigern sich im späteren Stadium. Es sollte nie in den Schmerz hinein gedehnt oder trainiert werden - Schmerzen sind ein Warnsignal und dürfen nicht ignoriert werden.
Um den vorderen Oberschenkelmuskel zu Dehnen, wird im aufrechten Stand die Ferse des zu dehnenden Beins in Richtung Po geführt. Die Hand der gleichen Seite umgreift den Unterschenkel kurz über dem Sprunggelenk und kann durch leichten Druck weiter in Richtung Po die Dehnung verstärken.
Für eine weitere Intensitätssteigerung werden Bauch und Po angespannt und das Becken des zu dehnenden Beins etwas nach vorn geschoben. Um im Einbeinstand nicht den Halt zu verlieren, kann sich die freie Hand an einer Stuhllehne festhalten.
Für fortgeschrittene kann gleich die Balance mittrainiert werden. Dieselbe Übung kann in Bauchlage durchgeführt werden. Dehnungen werden 30 Sekunden gehalten, um einen Effekt im Muskel zu erzielen. Zu Dehnende Strukturen werden vor der Übung aufgewärmt, um diese nicht noch weiter zu schädigen.
Weitere Dehnübungen für den Oberschenkel finden sie in dem Artikel Dehnübungen.
Kräftigungsübungen nach einem Patellaspitzensydrom sind zum einen wichtig, um muskuläre Dysbalancen (eine eventuelle Ursache) auszugleichen, ein erneutes Auftreten zu vermeiden und den Muskel in seiner physiologischen Funktion zu stärken. Die Durchblutung wird gesteigert und wiederum die Regeneration gefördert. Es gilt das Training ohne Schmerzen richtig zu dosieren und Regenerationszeiten zu beachten. Zur Heilung des Patellaspitzensydrom hat sich das sogenannte exzentrische Training bewährt – das heißt, der Muskel wird darin gestärkt, Spannungen langsam nachzugeben, sich also gegen einen Widerstand zu verlängern und Bewegung abzubremsen. Ein einfaches Beispiel zum Verständnis: hebt man einen schweren Gegenstand auf, kontrahiert der Biceps am Oberarm, zieht sich zusammen. Will man den Gegenstand wieder ablegen, muss der Biceps wieder langsam nachlassen, sich gegen das Gewicht kontrolliert verlängern. Wie wird das nun am vorderen Oberschenkel trainiert? Benötigt wird ein Theraband.
Legen Sie sich in Rückenlage, das Theraband wird um eine Fußsohle geschwungen, jede Hand hält ein Ende. Beide Seiten werden auf Spannung gebracht. Nun wird das Bein gegen die Spannung vom Band langsam ausgestreckt, diese Bewegung Trainiert zunächst die Konzentrik, also das Zusammenziehen des M. quadriceps femoris. Nun wird das Bein wieder langsam gebeugt, der Muskel verlängert langsam gegen die bestehende Spannung. Eine weitere Übung erfolgt im Stehen vor einer Treppenstufe. Das zu Trainierende Bein wird auf die Stufe gestellt und drückt sich langsam hoch und sinkt dann wieder ab. Besonders der exzentrische Teil muss langsam und kontrolliert durchgeführt werden. Weitere Übungen sind die Beinpresse oder Kniebeugen.
Weitere Kräftigungsübungen finden Sie in den Artikeln
Um die Koordination im Bein zu trainieren, eignen sich am besten Wackelkissen, weiche Unterlagen, Balanicierübungen, Weichbodenmatten, Trampoline,...Womit sich am einfachsten auch zuhause üben lässt, ist eine zusammengerollte Sofadecke.
Stellen Sie sich mit dem zu trainierenden Bein darauf, das andere Bein wird angewinkelt in der Luft gehalten. Zunächst wird freihändig versucht, das Gleichgewicht zu finden. Hier müssen alle Muskeln der Muskelketten zusammenspielen und koordiniert werden um den Körper zu halten. Ausgehend von dieser Ausgangsposition können nun verschiedene Übungen durchgeführt werden: Gehen Sie langsam in die Knie und richten sich wieder auf, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Bleiben Sie auf einem Bein stehen und führen gleichzeitig eine andere Bewegung durch, wie das Werfen und Fangen eines Balls. Weitere Übungen sind ein Parkour über verschiedenen Untergründe oder auf dem Wackelkissen im Einbeinstand die Augen schließen. Diese Übungen trainieren nicht nur die Koordination und das intermuskuläre Zusammenspiel, sondern stärkt auch gleichzeitig die Muskulatur. Weitere Koordinationsübungen können sie in dem Artikel Koordinations- und Gleichgewichtstraining nachlesen.
Massagen sind ein wichtiger Bereich in der Regeneration von einem Patellaspitzensyndrom. Der Muskel wird durch verschiedene Techniken gelockert, die Strukturen entspannt, sodass schließlich der schmerzhafte Zug der Sehne nachlässt. Es bieten sich Techniken aus der klassischen Massage an, Funktionsmassagen, Querfriktionen an der Sehne direkt und später beim Wiedereinstieg in das Training vorbereitende Sportmassagen zur Durchblutungssteigerung. Bei der klassischen Massage werden die einzelnen Köpfe des vorderen Oberschenkelmuskel durch Ausstreichen und Knetungen – quer und längs – sanft entspannt.
Bei der Funktionsmassage werden Massagegriffe mit Mobilisationsbewegungen und sanfter Dehnung kombiniert: Aus der Rückenlage hängt das zu behandelnde Bein frei von der Liege. Der Therapeut greift mit einer Hand den unteren Unterschenkel, um das Bein passiv bewegen zu können. Die andere Hand führt am oberen Ende des Oberschenkelmuskels eine Längsknetung durch, hält den Druck am Ende und führt nun gleichzeitig eine passive Verlängerung des Muskels durch, indem er das Kniegelenk in Richtung Beugung bewegt. Die Spannung wird wieder gelöst, die Längsknetung etwas nach unten versetzt erneut durchgeführt und das Bein wieder in die Dehnposition gebracht. So wird der ganze Muskel von nah nach fern durchgearbeitet.
Für die Querfriktion an der Sehne selbst verwendet der Therapeut seinen Daumen oder Zeigefinger und Mittelfinger überschlagen und zieht mit gleichmäßigem Druck die Haut in kleinen Bahnen quer über die Sehne. Hierbei handelt es sich um eine intensive Methode, welche von geübten Therapeuten und im richtigen Stadium durchgeführt werden sollte. Durch die Reizung wird eine erneute Entzündungsreaktion ausgelöst, welche den Körper zur Heilung anregt. Des weiteren eignen sich Faszientechniken, tiefe Ausstreichungen mit dem Daumen entlang der Muskelketten, um Verklebungen im Gewebe zu lösen.
Joggen und Radfahren sind typische Sportarten, welche ein Patellaspitzensyndrom auslösen können. Wenn plötzlich zu viel trainiert wird, neu mit dem Sport begonnen wird, der Körper und seine Strukturen die Belastung nicht gewohnt sind oder auch Bewegungen falsch ausgeführt werden und Trainingspausen nicht eingehalten werden, kann es schnell zur Überlastung kommen. Beim Joggen äußert sich das Patellaspitzensyndrom je nach Schweregrad.
Am Anfang nur nach der Belastung, später schon zu Beginn des Laufens und nach langer Überlastung bereits beim Gehen, Sitzen, Aufstehen,..Beim Radfahren sind besonders Bergfahrten gefährlich, anstrengende Anstiege oder auch hohe Trittfrequenzen. Sowohl beim Radfahren als auch beim Joggen entsteht ein extrem hohen Zug auf die Patellasehne, da der Quadriceps stark beansprucht wird. Ein entscheidender Unterschied ist beim Joggen zum einen, dass eine hohe Stoßdämpfungskraft beim Laden entsteht und das diese Kraft exzentrisch vom M. quadrices femoris abgefangen wird. Das heißt, der Muskel wird mit zunehmender Spannung gleichzeitig länger.
Viele Sportler trainieren eben nicht ihre Oberschenkelmuskulatur mit einer exzentrischen Arbeitsweise. Übungen dafür finden sie in dem Artikel Exzentrisches Krafttraining. Der M. quadriceps femoris muss also stärker und elastischer gemacht werden um einem Patellaspitzensyndrom entgehen zu können. Die Elastizität kann sehr gut über ein Faszientraining und Dehnungsprogramm erfolgen.
Die Dauer eines Patellaspitzensyndroms gestaltet sich sehr individuell, hier spielen viele Faktoren eine Rolle – wie die körperliche Konstitution und Fitness, das Bestehen der Verletzung, die genaue Ursache..Umso eher eingegriffen wird, umso besser sind die Genesungschancen. Wer mit Schmerzen weiter trainiert, läuft Gefahr sein Knie chronisch zu überlasten – hier kann die Heilung Monate andauern. Essentiell ist es, die Ursache zu erkennen und genau diese zu behandeln sowie die auslösende Überlastung zu vermeiden. Die Dauer bei Überlastungen beim Joggen oder Radfahren sollten mit Sportpause und richtigen Kräftigungsübungen nicht länger als 3 Monate sein. Ansonsten müssen sie sich wieder bei ihrem Orthopäden vorstellen und ggf. medikamentös therapieren.
Weitere Maßnahmen zur Behandlung von einem Patellaspitzensyndrom sind Ultraschall- und Elektrotherapie oder Anlagen wie Bandagen und das Tapen, auf welches folgend weiter eingegangen wird.
Tapen: Verschiedene Tapes können je nach Anlage den Knie entlasten, den Muskel entspannen oder auch in seiner Funktion unterstützen. Tapes werden unter Vordehnung der Strukturen angebracht. Im Fall des Patellaspitzensyndroms werden Sehne und Muskel verlängert, indem das Knie gebeugt wird. Aus dieser Position kann die Kniescheibe gestützt und somit die betroffene Sehne entlastet werden, indem ein Y-Zügel unterhalb des Knies geklebt wird und die beiden Schenkel des Tapes unter Zug rechts und links der Kniescheibe angebracht werden. Zur weiteren Stützung wird ein I-Zügel längs über dem Knie angebracht. Weitere Tapemöglichkeiten finden sie in dem Artikel Kinesiotape.
Zu einer OP kommt es beim Patellaspitzensyndrom nur in seltenen Fällen – nach chronischem sehr langem Bestehen und dem Misserfolg der konventionellen Therapien. Bisher ist ein besserer Erfolg einer OP gegenüber der konventionellen Behandlung nicht nachgewiesen. Beispiel eines operativen Verfahrens ist das seitliche Einschneiden in die Sehne, um die Spannung zu nehmen. Eine Operation ist ein Eingriff in den Körper und bringt immer die Gefahr von Komplikationen mit sich, weshalb sie erst als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden sollte.
Die Überlastungserkrankung Patellaspitzensyndrom betrifft oft junge Sportler, kann jedoch mit den richtigen Maßnahmen in den meisten Fällen konservativ behandelt werden. Zu einer Operation kommt es nur selten. Wird die Ursache für die Überlastung herausgefunden und unter Mitarbeit des Patienten mit Mobilisations-, Dehnungs-, Koordinations- und Kärfitgungsübungen behandelt, kann erfolgreich ein schmerzfreies Training erreicht werden. Vorbeugend sollte sich regelmäßig aufgewärmt und gedehnt werden sowie Ausgleichsübungen durchgeführt werden, um auch umliegende Muskeln zur Unterstützung zu trainieren.